Der Exner Spirit

Aus Anlass der 60ig-jährigen Mitgliedschaft Dr. Wilhelm Exners beim Österreichischen Gewerbeverein wurde ihm zu Ehren die jährliche Verleihung der Wilhelm Exner Medaille ins Leben gerufen. Er selbst und zwei weitere innovative Köpfe der Wissenschaft und Wirtschaft 1921, Carl Auer-Welsbach und Otto von Miller, waren die ersten Empfänger dieser Auszeichnung. In Zukunft sollte diese Ehrung ausschließlich an solche Männer gehen, „die in gleicher Weise wie Exner durch ihre wissenschaftlichen Tätigkeit die Produktion, namentlich auf gewerblichen und industriellen Gebiete, in hervorragender Weise gefördert haben.“ Das heißt, die Creme de la Creme der angewandten Wissenschaft gepaart mit wirtschaftlichen Ambitionen sollte diesen Preis erhalten.

Das ist nun 100 Jahre her und wir wollen in diesem kurzen Artikel der Frage nachgehen, wer war Wilhelm Exner und spiegeln sich seine Intentionen noch heute im Geist der Exner-Medaille?

Aus Zeitungsartikeln wissen wir, dass Wilhelm Exners Zeitgenosssen ihn als außergewöhnliche Persönlichkeit huldigten. Auch seine Tätigkeit im Gewerbeverein wurde von Beginn seines Beitritts als 21 Jähriger 1861 an, als überaus fruchtbar beschrieben .Er war eine außergewöhnliche Erscheinung in einer außergewöhnlichen Zeit, eine Zeit des Aufbruchs und des Umbruchs in allen wesentlichen Bereichen des Lebens wie in der Politik, der Wirtschaft, der Industrie und auch in der Gesellschaftstruktur.

Ein kurzer Abriss der dynamischen Ereignisse dieser Zeit soll verdeutlichen, wie sehr Wilhelm Exner von diesen mitgerissen wurde, es nicht nur verstand sich anzupassen sonder sich in allen Bereichen zu invovieren, sich das Neue mit unglaublichem Blick für die Zukunft, sei es technologisch, politisch oder gesellschaftlich zur Bereicherung für die Gesellschaft zu Nutze zu machen, ohne die alten humanistischen Werte, wie Allgemeinbildung, Tugendhaftigkeit, Anstand und Toleranz zu vergessen.

Wilhelm Exner Gemälde im Palais Eschenbach

1840 wurde Wilhelm Exner im Stationsgebäude Untergänserndorf geboren, sein Vater war dort Stationsvorsteher. Der Bub wächst neben einer der größten technischen Errungenschaften des 19. Jahrhunderts auf, der Eisenbahn. Erst zwei Jahre vor seiner Geburt, im Jahre 1838, wurde diese „Kaiser Ferdinand Nordbahn“ eröffnet. Es war die erste Bahnstrecke innerhalb der Monarchie, gebaut um Wien mit den Bergbaugebieten und der Industrie im Norden auf rascherem Weg zu verbinden. Wilhelm Exner sollte diese Faszination für diese technische Meisterleistung, Bahn, nie verlieren.

 Als acht Jähriger erlebte er die Revolution 1848, wo sich ein Großteil der europäischen Völker gegen feudale Zustände auflehnten, so auch im Habsburgerreich. In manchen Ländern, wie Frankreich, kam es zum Erfolg, dort mutierte das Königreich zur Republik. Nicht so in Österreich, hier wurde nach blutigen Auseinandersetzungen schließlich die Revolution niedergeschlagen und der 18 jährige Kaiser Franz Joseph statt Ferdinand I inthronisiert. Die nächsten Jahre regierte der Neoabsolutismus.

1851 übersiedelte die Familie nach Wien und im Zuge der Reformen der 48/49 Jahre, erfuhr auch das Bildungswesen eine Veränderung. Eine davon war die Gründung eines neuen Schulzweiges, die Realschule. Sie war auf die neuen Bedürfnisse der fortschreitenden Industrialisierung zugeschnitten. Im Fokus dieser Ausbildung stand nun Ökonomie, Manufaktur, Bergbau und Handel mit mathematischer-naturwissenschaftlicher Konzentrierung.

Auch hier wieder am Puls seiner Zeit, wechselte der Schüler Wilhelm Exner 1854 von der Hauptschule in eine der beiden Realschulen Wiens. Seine Lehrer sprachen nur in den höchsten Tönen von ihm und er durfte als Vorzugsschüler 1857 beim Wechsel auf das K.K. Polytechnische Institut in Wien ein Jahr überspringen. Die Liebe zur Technik wurde hier genährt. Noch vor Beendigung seiner Ausbildung am Polytechnikum, 1815 von Johann Joseph Prechtl gegründet, legte er die Lehramtsprüfung in Darstellender Geometrie, Maschinenlehre und Baukunde ab und tratt 1861 als „Supplierender Lehrer“ in den Staatsdienst ein. Von nun an sollte das Bildungswesen, Schaffung neuer Bildungsstätten und die Anpassung der Ausbildungsstätten an die Erfordernisse der neuen Zeit, vorallem hinsichtlich der Industrialisierung und Technologisierung, in seinem Leben einen wichtigen Stellenwert einnehmen. Diese für die Gesellschaft so wichtige Agenda, verfolgt der ÖGV im Sinne Wilhelm Exners noch heute sehr intensiv.

Schon als junger Oberreallehrer in Elbogen, heutiges Böhmen, befaßte er sich neben dem Lehren mit der Materie Papier und veranstalltet als 25 Jähriger Photoausstellungen vor Ort. Auch hier wieder die Faszination für das Neue! Die Papierproduktion basierte von nun an auf Holz, ein Material, dem Exner viel Aufmerksamkeit schenkte und zahlreiche Publikationen darüber veröffentlichte. Die Fotographie, die 1865 in den Kinderschuhen steckte, erschien 1865 einigen wenigen Visionäre revolutionär. Auch er erkannte die Zukunft darin.

Schließlich wechselte er als Lehrer nach Krems, blieb bis 1869, um Professor an der Forstakademie Mariabrunn zu werden. 1872 gelingt ihm Nachhaltiges, Mariabrunn wird nach Wien verlegt und geht in die von Wilhelm Exner initierte Neugründung der Hochschule für Bodenkultur über, der heutigen BOKU (Universität für Bodenkultur). Er war nicht nur Mitbegründer, sondern sollte in den nächsten Jahren dort Professor, später Dekan und sogar Rektor werden. Auch hier en Visionär, der die Notwendigkeit der Verbesserung im Bildungsbereich erkannt und sich Zeit seiners Lebens dafür intensiv einsetzte.

Seine weitsichtigste und glanzvollste Gründung im Bildungssektor war die Schaffung des Technischen Gewerbe Museums, das heutige TGM, am 26. Oktober 1879 mit Hilfe des Niederösterreichischen Gewerbevereins in den Räumen des selbigen, in der Eschenbachgassse 11. Exner erkannte die Notwendigkeit einer Ausbildungsstätte im Bereich der Technologie um den wirtschaftlichen Fortschritt gewährleisten zu können. Es basiert auf den drei wesentlichen Gebieten, die Wilhelm Exner am meisten am Herzen lagen, das Ausstellungswesen, die Technik und die Lehre. Der Grundgedanke dieser Institution war für ihn die technischen Zeugnisse der Vergangenheit als Erfahrungsmomente auszustellen, sich in Werkstätten praktisch an der Technik der Gegenwart zu versuchen und im Unterricht die theoretischen Grundlagen der Technik zu erlernen. Zunächst wurde nur der Bereich „Holzindustrie“ gelehrt, nach und nach aber die unterschiedlichsten Fachbereiche in diese Lehranstalt eingegliedert, wie zum Beispiel 1881 die Möbel- und Bautischlerei, 1884 die Metallarbeit und Maschinenschlosserei. In den 90er Jahren des 19. Jahrhunderts besuchten schon über 1000 Schüler das TGM. Hohen Besuch erhielt es acht Mal von Kaiser Franz Joseph zwischen seiner Gründung und 1901, Anerkennung von höchster Stelle. Heute ist das TGM die größte Lehranstalt Wiens mit ihren fast 4000 SchülerIn und noch immer in enger Verbindung mit dem ÖGV, der mit Freude die inovative Hochleistung Wilhelm Exners würdig ins 21.Jahrhundert getragen sieht.

Seine Liebe zur Technik und dem unverholenem Interesse an all den neuesten Entwicklungen in diesem Bereich lebte er ganz besonders in den Besuchen der Weltausstellungen ab 1862 aus.

Die erste Weltaustellung wurde 1851 in London abgehalten und hatte für viele Jahrzehnte zum Ziel, neue technische Entwicklungen zu präsentieren, Zeitgenossen zum Staunen zu bringen und weltweit neue Märkte für diese Erzeugnisse zu erschließen.

Ein kleiner Auszug an Beispielen:
New York 1853                 OTIS Lastenaufzug
Paris 1855                          Zündhölzer, Espressomaschine
London 1862                     Nähmaschine
Philadelphia 1876            Telefon
Paris 1878                          Eisschrank
Amsterdam 1883              Lippenstift
Paris 1889                          Eiffelturm
Chicago 1893                     Reißverschluß, Geschirrspülmaschine

1862 bereiste Wilhelm Exner zum ersten Mal, vom Niederösterreichischen Gewerbeverein wegen seiner Französisch- und Englischkenntisse entsendet, eine Weltausstellung. Der NÖ Gewerbeverein verlieh ihm ein Stipendium, um drei Monate aus London zu berichten und interessante technische Neuheiten in Artikeln zu beschreiben. Es muss ein wahres Erlebnis für den jungen Mann gewesen sein, von nun an lässt er kaum eine Weltausstellung aus.

1867 nur fünf Jahre später gelingt es ihm als offizieller Berichterstatter Teil der Österreichischen Delegation für die Weltausstellung in Paris zu werden. Hier zeigt sich zum ersten Mal seine unglaubliche Gabe gesellschaftlich zu glänzen und in Folge dessen sich sozialpolitisch zu vernetzen. Hier knüpft der junge Mann aus Gänserndorf Freundschaft mit dem Stararchitekten der Ringstraße, Theophil Hansen, dem Tresormagnaten, Freiherr von Wertheim, Bankdirektor Karl Zimmermann, Architekt Heinrich Ferstl und vielen mehr. Hier entstandene auch die ungemein fruchtbare Freundschaft mit Fürstin Pauline Metternich-Sándor, ohne deren Hilfe die Hochschule für Bodencultur in Wien keinen Standort gefunden hätte.

Wien tanzte in Paris und Wilhelm Exner tanzte mit, von seinen Reisebegleitern obendrein als „großartiger Salonredner (Seite 140), „faszinierender Plauderer“ und „blendender Charmeur“ beschrieben. Man amüsiert sich blendend abseits des technisch Dargebotenem.

Faszinierend, bedenkt man die politische Lage Europas 1866/67. Die Monarchie stand unter Schock, hatte man doch gerade erst den Deutschen Krieg gegen Preußen in Königsgrätz verloren, Österreich musste Venetien an Italien abgetreten und die Auflösung des Deutschen Bundes anerkennen. Preußen, der große Gegner Österreichs, annektierte die Deutschen Staaten und bildete den Norddeutschen Bund. Österreich war außenpolitisch wie innenpolitisch schwer getroffen.

So hatte für Österreich diese politische Niederlage auch innerpolitische Konsequenzen, der Österreich-Ungarische Ausgleich musste vom Kaiserhaus anerkannt werden und die Dezembergesetze festigten die Gewalt des Zweikammerparlaments (seit 1861 in Kraft) mit dem Abgeordneten Haus und dem Herrenhaus.

Wilhelm Exner nimmt auch hier eine wichtige Rolle ein. Er engagiert sich nicht nur im Bildungsbereich, in der Präsentation der österreichischen-technischen Erfindungen auf den Weltausstellungen, sondern sieht es auch als seine Pflicht an, als Deutschliberale eine Stimme im Parlament innezuhaben.

1882-1897 ist er Abgeordneter im Reichsrat und von 1905-1918 Mitglied im Herrenhauses. Die Parlamentarier wurden von den Landtagen der Monarchie entsandt, die Abgeordneten des Herrenhauses vom Kaiser ernannt. 1883 übersiedelte der Reichsrat aus der „Bretterbude“ am Schottenring“, provisorisch errichtet 1861, in das von Theophil Hansen erbaute Parlamentsgebäude am heutigen Dr. Karl Renner-Ring.

Aber zurück zu seiner Faszination für die Technik und deren Präsentation! Ein wunderbares Feld wurde ihm hierfür 1873 geboten. Die Weltausstellung kam nach Wien! Die berühmte Rotunde, die für diese Veranstaltung im Prater von den beiden Architekten der Wiener Oper, Eduard van der Nüll und August von Sicardsburg, erbaut wurde, war Schauplatz für die „Additionelle Ausstellung“ 1873. Für dessen Kuratierung Wilhelm Exner gewonnen werden konnte. In nur acht Monaten gelang es ihm 100 Fachleute zur Mithilfe zu überreden und an Hand von vielen Anschauungsobjekten thematisch „die Entwicklung von Handwerk und Industrie in Österreich über die letzten Jahrhunderte“ anschaulichaufzuzeigen. Eine umfassende Sammlung entstand und mit dieser wurde das Technische Museum für Industrie und Gewerbe in Wien, das heutige Technische Museum in Penzing gegründet.

Sein letzter großer Auftritt gelang ihm als Generalkommissär bei der Weltausstellung in Paris. Er schuf ein phantastisches neobarockes Gebäude und ließ die österreichische Monarchie in all ihrer Nationalitäten Vielfältigkeit erstrahlen. Der österreichische Pavillion wurde zum großen Erfolg und als die Philharmoniker unter Gustav Mahler im Trocadero einige Konzerte gaben, wurde Exner bejubelt.

„Typisch“ Exner war, dass er den ihm auf Grund seiner Leistungen in Paris angebotenen Adelsstand, ablehnte. Er begründete diese Entscheidung damit, dass er das bleiben wolle, was er von Geburt an sei und sich nicht in die Reihen des Verdienstadels stellen wolle.

Dies passt zu jenem Wilhelm Exner, der sich als Abgeordnete des Reichsrates für die Gründung der Arbeiterkammer ab 1887 einsetzte und von den Industriellen des Landes eine 10 Stunden Woche für Arbeiter forderte, sowie die Eingliederung der Lohnarbeiter in das Bürgertum, mit all seinen Rechten.

1915 zeigt sich sein soziale Unterstützung für die bedürftigsten der Gesellschaft in besonderer Weise. Er gründet den Verein „Die Technik für Kriegsinvalide“, dieser Verein konnte durch Spenden angepasste Prothesen an Kriegsversehrten verteilen. Um seinen Friedensgedanken mit anderen zu teilen und in der Öffentlichkeit kundzutun, tritt er der Friedensbewegung von Berta von Suttner und Alfred Fried bei, deren glühenster Verehre er war.

Zum Abschluss soll natürlich die familiäre Situation Wilhelm Exners nicht vergessen werden. Er war zwei Mal verheiratet, in jungen Jahren stirbt seine erste Frau, Emma Lauda, an Tuberkulose, deren gemeinsamer Sohn folgt ihr bald nach. Wilhelm Exner heiratet ein weiteres Mal. Das Ehepaar bekommt zwei Kinder, wobei der Sohn, Friedrich Wilhelm, im Alter von fünf Jahren an Scharlach stirbt. Seine Mutter, Maria Klara kommt nie darüber hinweg und zieht sich aus der Öffentlichkeit völlig zurück. Sie nimmt an keinen gesellschaftlichen Veranstaltungen teil. Die gemeinsame Tochter, Maria Anna Wilhelmine heiratet, so gibt es keinen namentlichen Erben.

Vielleicht erklärt dies die spätere Adaption der beiden Kinder seiner langjährigen Sekretärin, Rosa Kryspin.

Zu Beginn dieses Kapitels findet sich die Frage herauszufinden wer Wilhelm Exner eigentlich war und ob sich spiegeln sich Intentionen noch heute in dem Geiste der Exner-Medaille spiegeln?

Exner ist einer der seltenen Geister, der die Vergangenheit mit der Zukunft herausragend verknüfte. Vergangenheit im Sinne, des gebildeten Humanisten, der durch sein Elternhaus fließend zwei Sprachen beherrschte. Die großen Poeten, wie Schiller und Goethe, verehrte und rezidierte, der regelmäßig Musik- und Theaterabende genoss, der das gepflegte Gespräch beherrschte, als weltgewandter Charmeur auftrat, niemals die Contenance verlor, kurzgefasst, ein Herr der alten Schule war.

Die Zukunft sah er in der gerade aufkeimenden Technik. In den inovativen Erfindungen, die ihn zum Staunen brachten. Für die er die Hoffnung auf verbesserte Lebensumstände besonders für die arbeitende Bevölkerung hegte. Aber vorallem sah er die Zukunft in einer besser ausgebildeten Jugend. Eine Ausbildung, die besser auf die Industrialisierung der 2. Hälfte des 19 Jahrhunderts zugeschnitten war. Er erkannte, dass in Zukunft nur die jenigen eine Chance auf dem sich veränderten Arbeitsmarkt haben werden, denen auch die Chance geboten wird, sich für die Modernisierung der Welt zu spezialisieren.

Eine große Persönlichkeit in einer großen Zeit. Einer Zeit, die politisch voller Umbrüche war, vom Neoabsolutismus des riesigen Kaiserrreiches zum Zerfall der Großmacht Österreichs, eine Zeit, die die Welt in einen Krieg stürzte und den Beginn der Republik Österreichs erahnen ließ. Eine Zeit, deren Gesellschaft und deren Wirtschaftsleben sich nach dem Krieg neu erfinden musste.

Dr. Wilhelm Exner erlebte nicht nur diese Zeit sondern er gestaltete sie nachhaltig und vorbildhaft mit!

100 Jahre nach der Gründung der Exner Medaille gilt die Bestrebung noch immer, jene Personen zu ehren, die den Geist dieses Mannes widerspiegeln und zukunftsorientierte Ideen tatkräftig umsetzen- im Sinne Wilhelm Exners.