Exner Lectures 2021

Tag 1 Session 1

17. Mai 2022, 9:00 Uhr

Ort: Palais Eschenbach, Eschenbachgasse 11, 1o1o Wien

Luisa Torsi Exner Medal 2021
Luisa Torsi Exner Medal 2021

Luisa Torsi

Die Laureaten Lecture

Einzelmoleküldetektion mit einem Großtransistor verschafft einem Kliniker den Vorteil eines Angreifers

Biomarker werden zum bevorzugten Mittel der Frühdiagnose von fortschreitenden Krankheiten wie Tumoren oder neurodegenerativen Syndromen. Bei Infektionskrankheiten ist der immunometrische Direktnachweis eines Erregers (anstelle seiner DNA) ein schnellerer Weg, da er keine Probenvorbehandlung erfordert. Die Möglichkeit, einen Marker (Proteine, genomische Stränge sowie ganze Viren oder Bakterien) in einer peripheren Bioflüssigkeit wie Blut oder sogar Speichel nachzuweisen, macht das Verfahren auch minimal invasiv. Je früher der Nachweis erfolgt, desto früher wird die Diagnose gestellt, und desto einfacher ist es für den Arzt, eine Krankheit zu bekämpfen. Heutzutage gibt es die Möglichkeit, einen einzelnen Strang eines mutierten Gens für die Frühdiagnose von Tumoren oder eine einzelne Kopie einer viralen DNA nachzuweisen. Ein kommerzielles System, das zuverlässig ein einzelnes Protein in einer Probe von 0,1 ml einer echten Bioflüssigkeit nachweisen kann, ist jedoch noch nicht verfügbar.

Prof. Torsi hat mit ihrer Gruppe im Jahr 2018 Pionierarbeit auf dem Gebiet der Einzelmoleküldetektion mit einem großen Transistor – SiMoT – geleistet. Damit wurde damals ein Weltrekord für den Nachweis von Proteinen direkt in einer Probe von ganzem Rinderserum aufgestellt. Die SiMoT-Plattform ist ein bioelektronisches System, das ein einzelnes Protein oder einen genomischen Marker in 0,1 ml echter, nicht vorbehandelter Blut- oder Speichelproben nachweisen kann. Das System, das auch im Rahmen eines von Torsi koordinierten EU-Verbundprojekts (https://simbit-h2020.eu) entwickelt wird, kann kostengünstig als Handheld-Gerät hergestellt werden. Angestrebt wird die Entwicklung ultraempfindlicher, schneller (15-20 Minuten), kostengünstiger und hochzuverlässiger Diagnosesysteme für die Früherkennung fortschreitender Krankheiten wie Tumor- (z.B. Bauchspeicheldrüse) sowie viraler (z.B. SARS-CoV-2) und bakterieller (z.B. Xylella fastidiosa) Infektionen. Ein solches System hat das Potenzial, das derzeitige Konzept der Point-of-Care-Tests zu revolutionieren, das in Bezug auf Zuverlässigkeit und Empfindlichkeit an seine Grenzen stößt. In Zukunft sollen hochempfindliche Marker und Krankheitserreger dort nachgewiesen werden, wo sie gebraucht werden, nämlich in der Arztpraxis, in der Apotheke oder sogar beim Patienten zu Hause oder direkt auf einem Olivenbaumfeld.

Co-Referenten

Gottfried Strasser, Technische Universität Wien
Herbert Gold, Joanneum Research Graz
Serpil Tekoglu, Johannes Kepler Universität Linz

Tag 1 Session 2

17. Mai 2022, 13:00 Uhr

Ort: Palais Eschenbach, Eschenbachgasse 11, 1o1o Wien

Katalin Karikó Exner Medal 2021
Katalin Karikó Exner Medal 2021

Katalin Karikó

Die Laureaten Lecture

mRNA für Therapien entwicklen

Die Idee, einen Impfstoff mit Boten-RNA (mRNA), der Substanz, die zur Umwandlung von DNA in Proteine beiträgt, herzustellen, reicht Jahrzehnte zurück. Frühe Versuche, synthetische mRNA zur Behandlung oder Vorbeugung verschiedener Krankheiten einzusetzen, scheiterten jedoch an der entzündlichen Natur dieser mRNA. Während ihrer Arbeit an der University of Pennsylvania Medical School fand Katalin Karikó heraus, dass Transfer-RNAs, von denen bekannt ist, dass sie viele modifizierte Nukleoside enthalten, nicht immunogen sind, wenn sie in Immunzellen eingebracht werden, was darauf hindeutet, dass modifizierte Nukleoside die Immunogenität der RNA unterdrücken könnten. Die bahnbrechende Arbeit von Karikó und Kollegen zeigte, dass einer der vier Bausteine der RNA, das Uridin, für die Auslösung von Entzündungen bei Mäusen verantwortlich war. Unter Verwendung modifizierter Nukleotide synthetisierte sie proteincodierende lange mRNAs mit modifizierten Nukleosiden, darunter Pseudouridin. Sie fand heraus, dass mRNA, die Pseudouridine enthielt, nicht entzündlich war und die RNA-Rezeptoren, die sich in den Endosomen menschlicher Immunzellen befinden, nicht aktivierte. Am wichtigsten ist, dass die pseudouridinhaltige mRNA sehr effizient in das kodierte Protein übersetzt wurde. Sie wiesen nach, dass die modifizierte mRNA, die für Erythropoietin kodiert, in vivo funktionsfähig war und den Hämatokritwert bei Mäusen erhöhte, was die Möglichkeit eröffnete, die mRNA für die Behandlung von Anämie und andere medizinische Zwecke einzusetzen. Zusammen mit ihren Kollegen an der Universität verwendeten sie modifizierte mRNA, die mit LNP formuliert war, als Impfstoff und schützten Mäuse und Makaken gegen eine Vielzahl von Viren. Nukleosid-modifizierte mRNA wurde erfolgreich zur Herstellung der Anti-SARS-CoV-2 mRNA-Impfstoffe von BioNTech/Pfizer und Moderna/NIH verwendet, die beide für den menschlichen Gebrauch zugelassen wurden. Mit dem Wilhelm-Exner-Preis sollen Wissenschaftler geehrt werden, die mit ihrer Arbeit einen bedeutenden Beitrag zum Wohle der Menschheit, der Gesellschaft und der Wirtschaft geleistet haben. Die neuartige mRNA-Plattform beschleunigt nicht nur die Entwicklung neuer Impfstoffe und anderer Arzneimittel, sondern macht auch alle mRNA-basierten Arzneimittel erschwinglicher, da der menschliche Körper zur Herstellung seiner eigenen Arzneimittel genutzt wird.

Co-Referenten

Guido Wollmann, MedUni Innsbruck
Michael Kundi, MedUni Wien

Tag 2 Session 3

18. Mai 2021, 9:00 Uhr

Ort: Palais Eschenbach, Eschenbachgasse 11, 1o1o Wien

Edward S. Boyden Exner Medal 2020
Edward S. Boyden Exner Medal 2020

Edward S. Boyden

Die Laureaten Lecture

Technologien zur Analyse und Reparatur des Gehirns

Das Gehirn ist vielleicht das komplexeste Ding, das wir kennen.  Es erzeugt unsere Gedanken und Gefühle und macht uns zu dem, was wir sind.  Zu verstehen, wie das Gehirn den Geist erzeugt, ist von grundlegender Bedeutung für das Verständnis des menschlichen Zustands.  Außerdem sind weltweit über eine Milliarde Menschen von Erkrankungen des Gehirns betroffen, von denen keine vollständig geheilt werden kann.  Um das Gehirn zu verstehen und zu reparieren, müssen neue Technologien erfunden und angewandt werden.  Die Expansionsmikroskopie (ExM) ist ein vom Boyden-Labor am MIT entwickeltes Instrument, mit dem das Gehirn kartiert werden kann.  Die Kartierung des Gehirns ist deshalb so schwierig, weil das Gehirn aus vielen Zellen, den so genannten Neuronen, besteht, die durch dünne, drahtartige Fortsätze miteinander verbunden sind, die in winzigen Verbindungsstellen, den so genannten Synapsen, enden – allesamt zu klein, um mit herkömmlicher Technik abgebildet zu werden.  Bei ExM werden die Gehirnproben mit einer Chemikalie infundiert, die dem Material in Babywindeln ähnelt.  Bei Zugabe von Wasser quillt das Windelmaterial auf und vergrößert das Gehirn um das 100-fache seines Volumens oder mehr.  Erstaunlicherweise ist dieser Expansionsprozess gleichmäßig, so dass Details im Nanobereich erhalten bleiben und größer und damit leichter zu erkennen sind.  Nach der Vergrößerung kann das Gehirn mit kostengünstigen, allgemein erhältlichen Bildgebungsgeräten kartiert werden.  ExM ermöglicht die Kartierung von Gehirnschaltkreisen, was die Entwicklung neuer Behandlungsmethoden für Gehirnkrankheiten ermöglichen könnte.  Die durch ExM ermöglichte Kartierung des Gehirns könnte auch Aufschluss darüber geben, wie Informationen durch das Gehirn fließen und von ihm umgewandelt werden, was die Entwicklung neuer Arten von künstlicher Intelligenz ermöglichen würde.  Da die frühzeitige Erkennung aller Krankheiten, nicht nur von Hirnerkrankungen, Leben retten könnte, befassen sich viele Menschen mit dem Einsatz von ExM zur Früherkennung von Krankheiten.  Durch die Entnahme einer Biopsie von einem Patienten und die physikalische Vergrößerung durch ExM können die kleinen Veränderungen, die im Frühstadium einer Krankheit auftreten, physikalisch vergrößert werden, so dass sie von Ärzten leichter erkannt werden können.  ExM wird weltweit eingesetzt, um biologische und medizinische Untersuchungen voranzutreiben, und Boyden hat ein Unternehmen mitbegründet, um die Technologie zu verbessern und für spezifische Probleme einzusetzen.

Co-Referenten

Gerhard Schütz, Technische Universität, Wien
Johann Danzl, IST Austria, Maria Gugging
Kareem Elsayad, Vienna BioCenter Core Facilities, Wien