Lectures 2024 | Giulio Superti-Furga

Giulio Superti-Furga

Die Steuerung von biologischen, chemischen und gesellschaftlichen Bedingungen für umfassende Innovation

Innovation gedeiht, wenn unterschiedliche Köpfe mit Freiheit, Unterstützung und einer Arbeitsatmosphäre ausgestattet werden, die ihre Kreativität fördert. Durch die Förderung von aufrichtiger Freundlichkeit und Zusammenarbeit schaffen wir Umgebungen, in denen Nachwuchsforscher*innen sich an Herausforderungen wagen, die sie ursprünglich vermieden hätten. Dieser Ansatz hat zu zahlreichen Durchbrüchen im Labor selbst geführt – von der Proteinkomplexanalyse und der Identifizierung von Wirkstoffzielen auf der Grundlage der Humangenetik bis hin zu einer Plattform für Präzisionsmedizin und der Erforschung von Membrantransportern.

Membrantransporter, wichtige Schnittstellen zwischen Chemie und Biologie, regulieren den Zugang von Chemikalien zu biologischen Systemen. Die systematische Untersuchung dieser Moleküle führte zur Gründung eines Biotech-Startups, das Medikamente entwickelt, die ihre Funktion regulieren. Durch das Verständnis und die Kontrolle des chemischen Transports sollen Erkenntnisse über Krankheiten und den Stofffluss zwischen Ökosystemen gewonnen und damit eine „One-Health”-Perspektive in der Biomedizin vorantreiben.

Giulio Superti-Furga (CeMM Forschungszentrum für Molekulare Medizin der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Zentrum für Physiologie und Pharmakologie, Medizinische Universität Wien)

Georg E. Winter

Therapeutische Innovation durch chemische Reprogrammierung zellulärer Abbauwege

Seit Jahrzehnten stehen kleinmolekulare Inhibitoren, die biochemisch aktive Stellen angreifen können, im Mittelpunkt der Forschung. Diese Liganden sprechen jedoch nur etwa 20 % der menschlichen Proteine an, was die funktionelle Untersuchung und die Entwicklung von Therapien einschränkt. Um dieses Problem zu lösen, forschte die Gruppe um Dr Georg E. Winter an „chemischen Neomorphen“ – kleinen Molekülen, die die Proteinfunktion über evolutionäre Beschränkungen hinaus umprogrammieren, indem sie ohne genetische Manipulation neuartige Protein-Protein-Wechselwirkungen induzieren.

In diesem Vortrag werden die Arbeiten zu chemischen Neomorphen vorgestellt, die E3-Ubiquitin-Ligasen umprogrammieren, um krankheitsverursachende Proteine, die bisher als nicht medikamentös behandelbar galten, abzubauen. Durch die Integration von funktioneller Genomik, Multi-Omics und synthetischer Chemie werden diese “Degrader” identifiziert und charakterisiert. Darüber hinaus könnte das Konzept selbst über diese Anwendung hinaus erweitert werden, beispielsweise durch die Entwicklung pharmakologischer Strategien zur Neukonfiguration von Transkriptionskreisläufen.

Georg E. Winter (CeMM Forschungszentrum für Molekulare Medizin)

Martin Jechlinger

Erforschung von behandlungsresistentem Brustkrebs

Das Wiederauftreten von Brustkrebs, verursacht durch minimale Resterkrankung (MRD), ist trotz Fortschritten in der adjuvanten Therapie nach wie vor die häufigste brustkrebsbedingte Todesursache. Die molekularen und zellulären Mechanismen der Persistenz von MRD sind aufgrund der Schwierigkeiten bei der Erkennung bei Patienten kaum verstanden.

Unter Verwendung organotypischer 3D-Kulturmodelle und Gewebeproben kombiniert die Jechlinger-Gruppe genomische, metabolomische und longitudinale Live-Cell-Imaging-Methoden, um das Überleben von MRD und den Übergang von der Dormanz zum Rückfall zu untersuchen. Während MRD phänotypisch normalen Brustzellen ähnelt, hat es ein ausgeprägtes Transkriptionsprofil und behält metabolische Merkmale des Tumorzustands bei – auch ohne Onkogenexpression oder abnormale Proliferation. Dieses „metabolische Gedächtnis” deutet auf gemeinsame Schwachstellen von MRD und Tumorzellen hin und bietet neue therapeutische Ansatzpunkte zur Verhinderung von Rezidiven.

Martin Jechlinger (Europäisches Laboratorium für Molekularbiologie Heidelberg)

Harald H. Sitte

Transportproteine: Von Struktur und Funktion zum Mechanismus

Transportproteine sind für die Zellphysiologie von entscheidender Bedeutung, da sie den Transport von Ionen, Nährstoffen und Metaboliten durch Membranen vermitteln. Ihre vielfältigen Strukturen – darunter Transmembranhelices, Gating-Domänen und Substratbindungsstellen – spiegeln spezialisierte Funktionen wider, die auf bestimmte Substrate zugeschnitten sind.

Jüngste Fortschritte in der Strukturbiologie haben ihre 3D-Organisation und dynamischen Konformationsänderungen aufgedeckt, die oft mit Substratbindung und Energieübertragung verbunden sind und eine selektive Substrattranslokation über molekulare Wechselwirkungen und allosterische Regulation ermöglichen. Das Verständnis dieser Mechanismen klärt nicht nur grundlegende zelluläre Prozesse, sondern erleichtert auch die Entdeckung von Medikamenten und die Entwicklung von Therapiestrategien für Krankheiten.

Harald H. Sitte (Medizinische Universität Wien)